Ein neuer Tag zwischen Stille und Hoffnung
Heute hat uns der Krieg einmal in Ruhe schlafen lassen. Keine Sirenen, keine Detonationen, nur das leise Rascheln der Vorhänge im Wind und das sanfte Atmen der Kinder, die ich heute wieder in meine Obhut genommen habe. Sie liegen da, eingekuschelt in Decken, die längst zu dünn für den herannahenden Winter sind. Ihre Unschuld ist das Einzige, was uns noch an eine bessere Welt erinnern lässt eine Welt, in der Kinder einfach nur Kinder sein dürfen.
Die Kälte wird mit jedem Tag spürbarer. Sie setzt sich in den Knochen fest, in den Gedanken, in den Herzen. Wir kämpfen nicht nur gegen den Frost, sondern auch gegen die Müdigkeit, die sich in unsere Glieder schleichen will. Doch wir geben nicht auf. Jeden Morgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch die zerschlissenen Vorhänge brechen, flüstern wir uns gegenseitig zu: Heute wird ein guter Tag. Heute wird alles ein bisschen besser. Es ist ein stilles Gebet, ein kleiner Akt des Widerstands gegen die Hoffnungslosigkeit, die uns umgibt.
Vor zwei Wochen haben wir meine Cousine verloren. Der S*****z ist noch frisch, ein dumpfer Stachel, der sich in die Seele bohrt, wenn ich an sie denke. Sie war voller Leben, voller Träume, voller Pläne für eine Zukunft, die ihr niemand mehr nehmen kann. Jetzt bleibt nur noch die Erinnerung an ihr Lachen, an ihre Stimme, die durch die Räume hallt, als wäre sie noch hier. Wir sprechen nicht oft über sie, aber wir spüren alle ihre Abwesenheit wie einen leeren Platz am Tisch. Doch wir weinen nicht laut. Stattdessen halten wir uns fest, teilen wir das Letzte, was wir haben, und erzählen uns Geschichten von damals, als das Leben noch leicht war.
Die Kinder fragen manchmal, wann der Krieg endlich vorbei sein wird. Ich antworte ihnen mit einem Lächeln: Bald. Nicht, weil ich es versprechen kann, sondern weil sie diesen Funken Hoffnung brauchen. Weil wir alle etwas brauchen, das uns weitermachen lässt. Also schauen wir nach vorne, auch wenn der Weg vor uns unsicher und dunkel ist. Wir halten uns an kleinen Dingen fest an einer warmen Mahlzeit, an einem gemeins***n Lied, an dem Wissen, dass wir nicht allein sind.
Draußen ist es still. Zu still. Aber in diesem Haus ist Leben. Es gibt Lachen zwischen Tränen, Streit um die letzte Tasse Tee, Momente, in denen wir für einen Augenblick vergessen, was draußen passiert. Vielleicht sind es genau diese Momente, die uns am Leben erhalten. Die uns daran erinnern, dass wir noch Menschen sind, dass wir noch fühlen, noch hoffen, noch lieben können.
Ich drücke die Daumen. Für uns. Für die Ukraine. Für eine Zukunft, in der Kinder wieder ohne Angst einschlafen können. Für ein Ende, das nicht nur ein Traum bleibt, sondern Wirklichkeit wird. Bis dahin halten wir durch. Zusammen. Immer zusammen. Denn solange wir uns gegenseitig haben, solange wir uns nicht unterkriegen lassen, gibt es Hoffnung. Und Hoffnung ist das Einzige, was uns jetzt noch trägt.